Silvesterfahrt 2006/2007 nach Wien, Preßburg, Budapest und schließlich Hermannstadt und Kronstadt in Siebenbürgen

Da ich schon über 20 Jahre nicht mehr in Siebenbürgen war und inzwischen unsere Freunde alle hier sind bis auf den Freund Martin, der auf dem Friedhof liegt, und seine Frau Agnetha, die in Hermannstadt im Altersheim wohnt, lag es nahe, jetzt wo Ungarn längst in der EU ist und Rumänien gerade hereinkommt, die Silvesterfahrt nach Wien zu nutzen, nicht nur nach Preßburg und Budapest zu fahren, sondern auch nach Siebenbürgen zu fahren und die Freundin zu besuchen. Und mit von der Partie war Maria Z., die frühere Kollegin, die das erste Mal vor über 20 Jahren mit auf einer Tour war - damals mit Schülern und mit ihrem Sohn. Sie ist jetzt endlich nach einer Verlängerung auch in Rente.

Die praktischste und gewiss auch günstigste Fahrtmöglichkeit würde sein, wieder mit Ryanair von Frankfurt-Hahn nach Preßburg zu fliegen, dabei die Falträder mitzunehmen, dann erst mal mit dem Flughafenbus nach Wien zu fahren, dort Maria die Stadt ein wenig zu zeigen, dann mit unseren Freunden Silvester zu feiern, am Neujahrstag eine Mozartmesse in der Jesuitenkirche zu feiern mit einer gewiss interessanten Predigt dabei, und dann eben Preßburg, Budapest und Siebenbürgen mit der Bahn. In den ehemaligen Ostblockländern ist die Bahn ja immer noch recht günstig. So kostet die Rückfahrkarte von Preßburg nach Budapest um die 16 Euro (ca. 250 km), die weitere Fahrt nach Hermannstadt um die 61 Euro (satt über 1000 km - jeweils pro Strecke), die wir allerdings nachts zurücklegen würden. Als ich mich nach der Rückkehr nach Preßburg (auf slowakisch Bratislava) erkundigte, was die durchgehende Fahrkarte gekostet hätte, nannte man mir etwas über 100 Euro, wir hatten also durch die "Stückelung" über 20 Euro pro Rückfahrkarte gespart...intuitiv... Das kann man aber nicht vorher wissen, im Internet stehen zwar die Fahrpläne, doch nicht die Kosten bei den internationalen Zügen.

In Wien würden wir bei meinen Freunden wohnen, in Budapest in einem Appartement, wie es von Frauen am Bahnhof angeboten wird, in Hermannstadt in dem Altersheim, mein Freund Hans Z., der Bruder von Agnetha erzählte mir davon, und den Rest mal sehen...

Die Falträder erwiesen sich wieder als das ideale Verkehrsmittel, vor allem in den Städten wie Wien und Budapest, aber auch in Preßburg und Hermannstadt. In Wien gab´s zwar bei der Ankunft nachts viel Schnee, so dass wir von der Haltestelle des Flughafens um die 90 min zu unseren Freunden brauchten, allerdings weitgehend durch Parks, doch dann wurde es immer besser, wenn auch ziemlich schmuddelig. Ich klapperte mit Maria die bedeutenden Kirchen, wie Stephansdom, Karlskirche, Jesuitenkirche, aber auch die moderneren in der Donaucity und die Donaustadtkirche am Mexikoplatz (in unserer weiteren Nähe). Für die Silvesterfeier bei unseren Freunden hatte ich vor allem einen Raketensatz erstanden, das muss auch mal sein! Und dann waren wir vor allem bei einer Freundin der Familie, die mit einer Art Wünschelrute unsere Konstitution, vor allem unseren Mineralhaushalt, erforschte und uns riet. Ich habe mich schon weitgehend nach dem gerichtet, was sie mir voriges Jahr nach ihrem Check empfohlen hatte, doch meinte sie jetzt, dass ich das Brot weitgehend lassen und mich um mein Herz kümmern sollte. Sie empfahl mir, mir eine Getreidemühle zu besorgen und Buchweizen zu Fladen bzw. Pfannkuchen zu verarbeiten, notfalls auch Dinkel - um die Hefe usw. zu vermeiden, die ja immer im Brot ist.

Die inzwischen für mich schon traditionelle Silvesterfeier bei den Freunden (Martin und Renate) meiner Freunde (Martin und Christine) mit Familie war wieder sehr schön. Nicht nur Martin ist ein Fan meiner Website, auch seine Frau Christine, nachdem sie zuerst sehr zögerlich und eher ablehnend war. Sie erzählte mir, dass ich in meiner Website haargenau den Ablauf und wohl auch die Hintergründe einer Don-Juan-Geschichte dargestellt hätte und als einziger aus der ihr bekannten Literatur usw. auch eine plausible Strategie dagegen entwickelt hätte. Sie hatte in ihrer Jugend in ihrem Freundinnenkreis genau so etwas mitbekommen und musste machtlos zusehen, wie es geschah... Da sie von Haus aus französischsprachig ist, würde sie gern mein Buch ins Französische übersetzen, doch das sei für sie sehr schwierig, ich würde eine bilderreiche Sprache anwenden usw., und sie würde einfach nicht alles so von einer Sprache in die andere übertragen können. Dabei wäre sie mir schon lieber als ein professioneller Übersetzer, hat sie doch ein ganz persönliches existentielles Interesse wegen ihrer Kinder (7 + 5 + 3) an der Verbreitung meines Konzepts.

Die Messe in der Jesuitenkirche war ein toller Auftakt des neuen Jahres, auch die Predigt. Es gab Mozarts Spatzenmesse...

Diese Kirche und die wunderbare Musik von Mozart!

Erzherzog Karl, mein Vater hatte mich vor etwa 50 Jahren auf die ausgetüftelte Statik des Denkmals hingewiesen, so ein riesiges Reiterstandbild auf zwei Beinen!

Hofburg: Von dem Balkon verkündete Hitler 1938 den "Anschluß".

Das typische Spießerhaus auf dem Museumsbau (Museum Ludwig) mit der neuen Kunst, die der Spießer natürlich nicht versteht. Unverschämt, wie in der Beschreibung konservativ (als positiver Begriff) und kleingeistig gleichgesetzt wird. Aber der "Spießer" ist schließlich der, der diese Kunst bezahlt!

Unsere Freunde: Mutter und Tochter ein wenig erschöpft von der Neujahrsnacht.

Am 2. 1. die Fahrt nach Preßburg. So richtig kannte ich die Altstadt ja bisher nicht, diesmal also mit den Falträdern kreuz und quer, wirklich schön, und alles im besten Zustand!

Irgendwie hatte ich falsch gedacht, als ich es einrichtete, dass wir mit den Rädern in die Slowakei fuhren. Bei der ersten Bushaltestelle nahmen wir den Linienbus.

Da es draußen dunkel war, konnte ich nicht mehr viel fotografieren, in einer Kirche fanden wir eine wunderschöne Krippe - bei der sich alles bewegt und wo das Licht noch ausreichte... Sogar Maria schaukelt das Jesuskind.

 

Im Zug nach Budapest kamen wir, bzw. eher Maria, ins Gespräch mit einem nach Neuseeland ausgewanderten Holländer, der im slowakischen Grenzort nach Ungarn Sturovo (die Grenze ist hier die Donau, und auf der anderen Seite steht auf einem Felsen der Dom von Gran - ungarisch Esztergom). Er arbeitete an einem Film über Kinder in einem Waisenhaus, oft Zigeunerkinder, und er darf wohl die Kinder, aber nicht die Betreuer filmen, weil sie sich vermutlich ihrer Sache doch nicht so sicher sind. Doch in den Augen der Kinder spiegeln sich die Betreuer sehr wohl wider. Seine Botschaft an die Kinder, wie er es erzählte: 1. Jeder Mensch ist ein Künstler, 2. Alles, was jemand gestaltet, ist richtig, 3. Und wenn einem etwas nicht gefällt, dann kann man es immer noch ändern. Und er holt die Kinder zu sich (mit einem Übersetzer), lässt sie Bilder malen und diese dann verbessern, wenn sie ihnen nicht gefallen, damit die Kinder auch erkennen, wie sie etwas ändern können. So erzählte er uns (wir fuhren auf der Rückfahrt bei hm vorbei) von einem 11jährigen Jungen, der immer wieder sagt, dass er eigentlich alle umbringen will und der ein trauriges Bild mit ganz großen Regentropfen gemalt hatte, dass er nach einer Aufmunterung aus den Regentropfen Früchte machte, was ihm selbst dann auch viel besser gefiel. Vor allem plant unser neuer Freund mit den Bildern eine Art Ausstellung, zu der auch die Bewohner von Sturovo kommen  sollten, die bisher weder zu ihm noch zu den Kindern einen Kontakt haben.

Wir fuhren nach Budapest weiter. Leider hatten wir mit unserem bestellten Quartier Schwierigkeiten. Der Kontakt mit unserer Vermittlerin hatte nicht geklappt, auch nicht per Telefon von Budapest aus, und so nahmen wir das Angebot einer anderen Zimmervermittlerin an, 30 Euro pro Nacht, leider nicht so gut wie das andere Appartement, vor allem lauter, weil an einer Hauptverkehrsstraße gelegen. Die Vermittlerinnen sind nach meiner Erfahrung recht unflexibel bei den Preisen, denn eigentlich kommen wir ja in einer verkehrsschwachen Zeit.

Der heilige Gründerkönig Stephan von Ungarn (vor 1000 Jahren)

Stephanskathedrale von Budapest.

Die Synagogen blieben erhalten, saftiger Eintritt heute in diese wohl wichtigste Synagoge heute! Wir gingen nicht hinein! Die Juden wurden 1944 abtransportiert, als sich die Amerikaner begannen einzumischen...

Fischerbastei mit Matthiaskirche im Hintergrund.

Eine Jahressanduhr: Der Sand rieselt ein Jahr lang von dem Behälter oben in den unteren Behälter - und dann wird die in Rollen gelagerte Uhr von vielen Leuten gedreht.

Brücke(n) zur Margaretheninsel in der Donau.

Besonders fasziniert sind wir in Budapest von den Museen (die permanente Ausstellung ist jeweils immer eintrittsfrei!), wir haben so besucht: das Museum der Bildenden Künste mit einigen El Grecos, Lucas Cranachs und anderen, das Kunstgewerbemuseum (interessanter Bau) mit einer Esterhazy-Ausstellung zur Zeit, das Nationalmuseum (ebenfalls toller Bau, alles immer so von der Mitte des 19. Jhts. bis Anfang des 20. Jhts, also viel Jugendstil, und wie!) mit einem tollen Lapidarium und viel ungarischer Geschichte, das Ethnografische Museum (auch hier phantastische Haupthalle) mit ungarischer Volkskunst und Darstellung des Lebens auf dem Lande. Und ich war dann noch auf der Rückfahrt in der Nationalgalerie auf der östlichen Donauseite mit vielen historischen Schinken und auch aparten Frauendarstellungen...

Die Madonna von El Greco

Die büßende Maria Magdalena sieht doch nun wirklich apart aus.

"Jesus und die Sünderin" von Polidoro da Velasco (?). Hier wird deutlich, dass es sich um keine verheiratete Frau handelt, denn die würde nie so herumlaufen! Und das geht auch aus der Bibel hervor, denn verheiratete Frauen wurden in diesem jüdischen Gottesstaat vor 2000 Jahren nach ertapptem Ehebruch erdrosselt, unverheiratete gesteinigt, und damals konnte sich hinter einer Unverheirateten, die so etwas tat, nur eine Prostituierte verbergen.

Und von Lucas Cranach, leider war´s etwas dunkel für meine Billigdigitalkamera und die Aufhellung misslang etwas. Doch die Visagen der Männer sind gemalt, als ob Cranach auch wusste, um was es sich dreht... (Nach meiner Version dreht es sich ja bei dieser Erzählung der Bibel weniger um eine Vergebungsgeschichte zwischen Jesus und der Frau, sondern vielmehr um eine Abrechnungsgeschichte aus dem Milieu zwischen einigen der Männer und der Frau, und die anderen Männer sind einfach zu blöde und machen dabei auch noch mit - und finden sich gegen die Frau in einer Art Mafia zusammen und Jesus durchschaut das verbrecherische Spiel. Und das alles ist heute noch höchst aktuell, wenn auch bei uns hier in Mitteleuropa anders, denn an wirklicher Moral hat kaum jemand Interesse, ja die ist für viele noch nicht einmal vorstellbar. Viele können sich einfach nicht vorstellen, welche Sicherheit und Stärke jungen Menschen - abgesehen von der Erweiterung des Wissens allgemein - auf solchen Fahrten erwächst. Die kritische Langzeitfrage: Welcher Mensch passt zu mir, ohne leichtsinnig zu laborieren? - bekommt eine neue, vielleicht eine ganz andere, wunderbare Dimension der wirklichen Entscheidungsfreiheit.) Fahrt doch selbst einmal nach Budapest, um Euch alles im Original anzusehen!

Josef von Ägypten flüchtet vor Potiphars Weib, das allerdings mal sehr attraktiv aussieht, und lässt seinen Mantel zurück (ich meine von Johann Rottenhammer).

Der Johannes der Evangelist von Antonio Palomino y Velasco (oder habe ich die Namen vertauscht?) gefiel Maria besonders. Das Bild ist auch in der Wirklichkeit ziemlich groß.

Moses in der Wüste mit der erhöhten Schlange. Der Blick auf sie soll vor den Bissen der anderen Schlangen erretten. Die Begebenheit kann als Abkehr vom Schlangenkult bzw. Fruchtbarkeitskult verstanden werden, na ja, das könnte auch der Maler so sehen - obwohl nur eine (angezogene) Frau zu sehen ist... Mir schwebt ein Religionsbuch für Kinder vor mit Bildern von den großen Malern zu den Texten - nach meiner Lesart. Ich finde, Kinder sind die richtige Zielgruppe - und heute sind sie ja nicht mehr einfältig und unwissend, wie wir es früher waren. Sie könnten heute alles viel besser verstehen...

Römischer Grabstein aus dem Lapidarium des Nationalmuseums, offenbar war hier einer begraben, der viel reiste - oder etwa ein Radmacher?

Eine hübsche Keramik von Diana mit ihren Gefährtinnen in der Esterhazy-Ausstellung

In einem chinesischen Restaurant lagen Frauenzeitschriften herum, Maria meinte, so eine Bluse könnte auch ihr stehen, also habe ich fotografiert...

Das Denkmal der Kaiserin Elisabeth (Sissi), sie war sehr beliebt bei den Ungarn. So hat das Denkmal die kommunistische Zeit überdauert.

Mit Ungarns traditioneller Bauernkultur ist das jetzt nach Eintritt in die EU wohl nicht mehr viel: Wir waren in den Supermärkten verblüfft über die hohen Preise, die Butter kostet etwa doppelt so viel wie bei uns und kommt aus Österreich und Deutschland, so auch in der Slowakei und in Rumänien, obwohl die Leute nur einen Bruchteil verdienen. Manche sagten uns, dass das an der EU liege, die die Landwirtschaft platt gemacht hätte, weil die Bauern jetzt Geld für das Brachliegenlassen und für das Abschaffen der Tiere bekämen. Doch von zwei Slowaken, einem älteren Herrn und einer Studentin, hörten wir, dass die EU nicht der eigentliche Grund sei, sondern die alten - roten - Genossen. Die hätten sich nach der Wende gleich wieder nach oben katapultiert und würden eine gesunde Entwicklung sabotieren. Ich brachte das Beispiel Irland und Portugal, wo ja auch arme Länder durch die EU vorwärts gekommen seien, ja, wurde ich belehrt, dort gebe es noch Moral auch bei denen da oben, doch in den über 40 Jahren Kommunismus sei eben alle Moral kaputt gegangen...

Natürlich waren wir auch in der pompösen Stephanskathedrale, in der Matthiaskirche auf dem anderen Ufer und der Fischerbastei - abends mit herrlichem Ausblick auf das erleuchtete Budapest mit der Donau vor uns. Zum Essen fanden wir nach einigem Suchen zufällig ein nettes Studentenlokal in der Straße links neben dem Nationalmuseum - am günstigsten war das Tagesmenü, es gab eine leckere Gemüsesuppe und eine Schlachtplatte mit typisch ungarischer Wurst für etwa 2,50 Euro.

Für die Fahrt nach Rumänien bekamen wir nur Sitzplatzkarten, und das war uns recht. Einerseits hatten wir ein Abteil für uns, wo wir uns so einigermaßen ausstrecken konnten, andererseits wurden wir eh alle Naselang geweckt, mal vom Fahrkartenkontrolleur, dann von den Grenzern, zuerst von den einen, dann von den anderen, dann von den nächsten Kontrolleuren. Beim Umsteigen in Simeria (in Rumänien) verpassten wir den Zug, es stand bei einem wartenden Zug ganz etwas Entgegengesetztes (als wo wir hinwollten) auf den Waggons und wir hatten doch schon so oft gefragt... In der Wartezeit nahmen wir die Gelegenheit wahr, durch die Stadt zu radeln, oh je, dachten wir: Das alles ist jetzt Europa... Interessant war das Gespräch mit einem Schüler, der im Zug nach Hermannstadt im selben Abteil saß und der sehr gut deutsch sprach, eigentlich perfekt. Auf unsere Frage, woher er das könnte, sagte er, dass er einen rumänischen Vater habe, von dem habe er rumänisch gelernt, eine ungarische Mutter, von der ungarisch, und dann sei er in einem deutschen Kindergarten gewesen. Ja, so geht´s also im künftigen Europa!

Auf einem Bahnsteig des Bahnhofs von Simeria

Hermannstadt dann! Kulturhauptstadt Europas 2007. Vor dem Bahnhof eine riesige Baustelle. Doch das Zentrum mit den Plätzen vor und hinter der katholischen Kirche ist hervorragend restauriert, auch das alte Bruckenthalmuseum mit einigen großartigen Bildern. Im Dr.-Carl-Wolff-Altersheim (da der Chef unserer ehemaligen Schule genauso heißt, allerdings Karl mit "K", haben wir ihm eine Karte geschickt)  war gerade Abendgottesdienst in der Kombikirche im Heim, als wir ankamen, und so ging ich hin und entdeckte gleich unsere alte Freundin Agnetha - auf der anderen Seite des Ganges. Ich erkannte sie gleich, doch sie sah mich ein paar Mal an, als ob sie mich schon kannte, aber nicht einordnen konnte, und dann wieder ihre Erkennungsversuche abwehrte. Sie hat sich jedenfalls riesig gefreut, ihr Bruder hatte ihr am Telefon erzählt, dass es eine große Überraschung für sie geben werde, ja, die war wohl gelungen! Das Altersheim ist sicher sehr gut geführt, aber eben ein Altersheim, wir konnten dort wohnen, doch billig war es für uns gerade nicht (jeweils 17 Euro) und der Aufzug war so laut, dass wir schier aus den Betten fielen... Agnetha und ihre Zimmerkollegin spotteten, dass sie hier wie Soldaten behandelt würden, alles ginge auf Kommando, aufstehen, anziehen, essen, pischen... Für unsere Freundin mag das ja richtig sein, weil sie inzwischen wegen einiger Operationen recht behindert ist, doch für ihre Zimmerkollegin? Denn die machte einen sehr gesunden Eindruck. Sie hat auch noch ihre Wohnung in Bukarest, doch sie ist wegen ihres Bruders hier, der im Nachbarzimmer wohnt und dem es nicht mehr so gut geht. Eine ambulante Fürsorge für ihn sei zu teuer, dann lieber das Altersheim... Sie schwärmte wiederholt, dass unter Ceaucescu alles besser war, sowieso, und als die Staatsschulden bezahlt waren und es hätte wirklich aufwärts gehen können, hat man ihn erschossen... Immerhin hatten wir einigen Spaß miteinander, als die beiden erzählten, dass sie jeden Abend beten, dass der liebe Gott sie zu sich holen möchte, und sie allerdings Angst vor dem Fliegen hätten, als ich von unserer Reise und also auch von unserem Flug bis Preßburg erzählte. Merkwürdig irrational seien sie doch, dabei hätte das Ende im Flugzeug doch noch den Vorteil, dass ihre Verwandten eine Versicherungsleistung ausbezahlt bekämen!

Mit unserer Freundin Agnetha.

Dr. Carl Wolff war hier ein Sparkassendirektor, der das Altersheim im 19. Jht. gegründet hatte.

In dem Altersheim sind noch viele Deutsche, allerdings ganz offensichtlich in Rumänien eine sterbende Gemeinschaft, es werden immer weniger! Da der jetzige Bürgermeister ein Deutscher ist, steht immerhin auf den Ortstafeln außer dem rumänischen "Sibiu" auch noch der deutsche Name. Und da er die Kanalisation erneuert hat, gibt es auf allen Kanaldeckeln beide Namen - das wird noch viele Jahrzehnte an die deutsche Geschichte erinnern.

Aktueller Originalkanaldeckel in Hermannstadt

Und wir beide vor dem Ortsschild am Flugplatz.

Insgesamt waren wir am Dreikönigstag und am drauf folgenden Sonntag in vier Gottesdiensten, zuerst in dem erwähnten deutschen evangelischen im Heim, dann am Sonntag zuerst in der katholischen Kirche in einer Messe in mehreren Sprachen, also neben deutsch und rumänisch auch ungarisch, dann zufällig in der mit Rom unierten orthodoxen Kirche mit einem schönen Frauenchor, der im Wechsel mit dem Priester (?) sang, und abends in der rumänischen orthodoxen Kirche, deren Kuppel an die der Hagia Sophia erinnert, allerdings natürlich kleiner, wo der Priester seine Messe hinter der Ikonostase (Bilderwand) las und ein schöner Männerchor im Wechsel mit ihm sehr eindrucksvoll sang.

Marktplatz in Hermannstadt

Dächer mit den berühmten Hermannstädter Augen.

Eine Straße in Hermannstadt

In dem Heimatdorf von Agnetha, Talmesch, erinnert zwar noch viel an die früheren Bewohner, es sind allerdings nicht mehr viele da... Das Anwesen unserer Freunde wird von Rumänen mitbenutzt, es ist alles in traurigem Zustand. Wenn ich bedenke, wie meine Schwester Angela und ich vor 35 Jahren zum ersten Mal bei ihnen waren und wir in Betten schliefen mit gestickten Deckchen "Erwache und lache" und wie meine Freunde dann so nach und nach mit vielen Schwierigkeiten in der kommunistischen Mangelwirtschaft sich etwas Komfort eingebaut hatten, eine Pumpe für den Brunnen, ein Badezimmer, und jetzt ist niemand mehr da... Alles, was Agnetha noch hat, ist ein Bild ihrer Familie... Wir waren damals auf dem Bahnhof für eine Bergtour durch die Karpaten gelandet, weil man dort Deutsche unterschiedlicher Systeme treffen und mit ihnen frei reden konnte, und als uns der rumänische Bahnbeamte für die Nacht einlud, weil es schon spät war, bot uns ein deutscher Herr an, der gerade von der Arbeit kam und uns bei der Verständigung half, mit ihm zu kommen. Und dann wurden wir "Deutschländer" total herzlich aufgenommen und bewirtet nach dem Motto "Unser Wein schmeckt Ihnen wohl nicht...". Jedenfalls ist daraus dann eine lange Freundschaft mit der ganzen Familie entstanden, die auch heute noch hält. Zumal gerade der Bruder mit Familie nicht weit weg von meiner Schwester wohnt. 

Auf diesem Bahnhof lernten meine Schwester und ich vor 35 Jahren unseren Freund Martin K. kennen.

Die ganze Ecke war einmal das Anwesen unserer Freunde.

Die Eisenbahnbrücke (nach Bukarest) mit der Landeskrone.

Unser Spaziergang ging immer an den Häusern der Zigeuner vorbei, sie sind allerdings jetzt erheblich komfortabler...

Die alte evangelische (deutsche) Kirche ist immer noch Mittelpunkt des Dorfes.

Die Gedenktafeln aus dem 1. Weltkrieg

In die orthodoxe Kirche kamen wir nicht hinein, aber um den Eingang herum waren tolle Bilder von Hölle und Himmel. Drei Teufel als Selbstmordattentäter mit umgeschnallten Bomben?

Ich möchte ja mal den Hintergrund wissen, warum da einer auf einem Teufel reitet.

Apart, wie die Bösewichter von der roten Flut in die Hölle gespült werden.

Über der Tür werden wohl die guten und die bösen Charaktereigenschaften eines Menschen gewogen??? Oder was sonst?

Die Guten werden in den Himmel gruppenweise von Heiligen getragen.

Bahnübergang auf der Straße nach Hermannstadt

Doch wir dürfen fahren...

Auf der Rückfahrt nach Hermannstadt, im Hintergrund die Fogerascher Karpaten. Vor 35 Jahren habe ich mit meiner Schwester und mit Poldi, dem Sohn unserer Freunde, eine Kammwanderung gemacht, wir waren unter anderem auf dem Negoil. Nachdem damals in der einen Nacht die Rumänen einen Hüttenzauber veranstalteten und uns nicht schlafen ließen, machten wir Deutschen in der nächsten Nacht einen, der Wein war ja gar nicht teuer, 2 DM die Flasche...

Die Fahrt nach Kronstadt - hier findet man den deutschen Namen allerdings nur im Zusammenhang mit der evangelischen Kirche - war sehr balkanisch. Da wir nur sehr knapp vor der Abfahrt des Zugs am Bahnhof waren, schickte uns die Fahrkartenverkäuferin gleich zum Zug, wir sollten dort lösen. Als die Schaffnerin uns andeutete, dass das sehr teuer würde, wollte ich bei der nächsten Station aussteigen und "legte" ihr umgerechnet etwa 15 Euro hin. Doch sie wimmelte ab mit Zeichen und gab mir etwa 9 Euro zurück und ließ uns ohne Karten fahren; ein Sachse (die Siebenbürgener sind ja alles "Sachsen") meinte, sie hätte gesagt, sie könne uns doch nicht aus dem Zug rauswerfen... Wie in alten Zeiten... Auf der Rückfahrt zahlten wir dann für den "Rapid", immerhin ein nagelneuer Zug, etwa 16 Euro (für beide - für etwa 150 km). Da das für die meisten Leute dort wohl viel Geld ist, waren unsere Züge auch fast leer, der Personenzug dagegen gut besetzt (nach Talmesch waren wir mit dem gefahren), der nur einen Bruchteil des Preises kostet, allerdings erheblich langsamer fährt und nun wirklich "alt" ist, aber auch eben mehr Charme hat, um es einmal so zu nennen.

Das Schlei-Tor in Kronstadt

Das Katharinentor, die vier Türme sollen den Reisenden anzeigen, dass hier das Halsrecht gilt...

Die engste Straße Europas

Blick von oben auf die deutsche Altstadt mit der so genannten Schwarzen Kirche.

Und Blick nach der anderen Seite...

Und abends ein richtiges Rippensteak im Restaurant "Zur falschen Uhr" oder so - auf rumänisch "Caseul Rau"!

In Kronstadt fanden wir das schon eher ideale Zimmer, leider etwas laut von der Straße: Wir wurden am Bahnhof angesprochen, eine Nacht für 30 Euro, zwei Nächte für 40. Und der Vermieter, Gabriel, der allerdings woanders wohnte, erklärte uns auch sehr nett, was wir alles besuchen müssten, die Schwarze (ev.) Kirche, die orthodoxe Kathedrale.... und welche Restaurants die besten seien... Die Telfonnummer von Gabriel ist: 004(0)-0744 119211 oder 159667, oder Mail cristinafaur2004@yahoo.de, wenn wieder mal jemand nach Kronstadt fährt, oder von Hermannstadt wurde uns ein Appartement genannt unter 214 201, allerdings ertönte da nur ein Fax-Zeichen, in Budapest gibt´s die besseren Appartements bei Maria Bogar (0036)-1-337-69-06  (bogarmaria@axelero.hu) oder das weniger gute, was wir hatten, bei Margit Horesnyi unter 31 33 400, vielleicht kann man ja handeln? Immerhin sagte sie, dass sie sonst immer nur Gäste für eine Nacht hätte, was ihr viel Arbeit mache - also müsste bei mehreren Nächten ein deutlicher Nachlass möglich sein? Auch sonst sah ich Angebote für 28 Euro... In Hermannstadt haben die bei der evangelische Gemeinde auch Gästezimmer gegen eine Spende...doch das erfuhren wir erst hinterher.

Wunderschön war die Fahrt mit der Seilbahn auf Kronstadts 955 m hohen "Hausberg" Timpa, herrliche Aussicht. Wir erfuhren, dass dort hin und wieder auch Bären herumlaufen bis hin zu den Mülltonnen der Stadt, um sie nach Essbarem zu durchwühlen, wir sahen aber keine.

Auf der Heimfahrt nutzten wir die Umsteigepause in Alba Julia zu einer nächtlich-romantischen Stadtbesichtigung, es gibt dort eine alte Festungslanlage mit einer eindrucksvollen röm. kath. und einer orthodoxen Kathedrale - und noch eine Bibliothek mit tollen Schätzen... Und ein junger Mann, offenbar auf dem Heimweg, führte uns!

In Zug hinter Budapest sprach uns eine junge Juristin an, die einfach mit uns reden wollte, auch sie beklagte sich über die Unverhältnismäßigkeit von Preisen und Einkommen, allerdings sah sie nicht gerade billig gekleidet aus und telefonierte pausenlos über ihr mobiles Telefon. Und im Flugzeug saß neben uns eine junge Angestellte, 500 Euro Lohn, für Dienstflüge zwischen Wien und Frankfurt wird ihr das Ticket bezahlt mit um die 300 Euro, privat fliegt sie für ein Sechstel davon über Pressburg... Sobald sie mit uns deutsch redete, benutzte sie die deutschen Namen, so wie wir die französischen Namen für unsere Städte benutzen, wenn wir mit Franzosen französisch reden. Ich käme mir ja albern vor, es anders zu machen, und etwa nicht zu sagen: "J´habite entre Cologne et Aix-la-Chapelle", wenn ich in Frankreich nach meinem Wohnort gefragt werde und sagen will, dass ich zwischen Köln und Aachen wohne. Nur die Kartenverlage usw. meinen immer, die ausländischen Namen benutzen zu müssen... Wir sprachen auch diese beiden jungen Damen darauf an, wie sie zu ihrem guten Deutsch gekommen seien, eine erzählte uns, dass es in ihrer Stadt zwar Donauschwaben gebe, doch das Deutsch habe sie gelernt, als ihr ihre ungarische Mutter deutsche Märchen vorgelesen habe.

Letzter Höhepunkt war dann die Kathedrale von Gran (oder eben Esztergom) hoch oben auf einer alten Festungsanlage über der Donau, ein schöner Abschluss der Fahrt!

Schon etwas kitschig bei Nacht, leider gibt das Bild den Eindruck nicht ganz wieder, man muss selbst hinfahren!

 Am Tage von der Brücke aus, die die Slowakei und Ungarn verbindet.

Maria vor der Kathedrale

Inneres, der Stuckmarmor ist perfekt! Anmerkung: Der Stuckmarmor ist teurer als echter Marmor, doch wegen der Farbgebung geht es oft nur so. Er wird hergestellt, indem verschiedene Farbschichten aufgetragen werden und dann je nachdem mehr oder weniger abgeschmirgelt wird.

Faszinierend die Kuppel von unten

Auf einem Seitenaltar der Apostel der Preußen Adalbert, der von ihnen umgebracht wurde.

Unter der Kathedrale das Grab des Primas M., der viele Jahre im kommunistischen Kerker war, beim Aufstand 1956 befreit wurde und dann in die amerikanische Botschaft flüchtete, von wo aus er schließlich nach Rom gehen konnte. Nach der Befreiung Ungarns wurden seine Gebeine hier beigesetzt.

Das pompöse Grab eines anderen Primas.

Das war also diese Fahrt, vielleicht irgendwann mal wieder? Nächstes Silvester und die Tage danach?

Grundsätzliches zu meinen Fahrten: Seit langem ist es als Religionslehrer mein Anliegen, jungen Menschen ein Konzept für eine ethische Grundlage mitzugeben, das sie befähigt, partnerschaftlich zu denken und zu handeln. Partnerschaft beginnt in der Familie, wird weiter entwickelt in der Schule und weiteren fördernden Lebensbereichen wie z. B. Reisen. Seit vielen Jahren habe ich Fahrten mit jungen Menschen, sehr oft auch mit meiner "Gasttochter", veranstaltet, wo sich niemand verstellen oder genieren kann, wenn wir z. B. unterwegs zelten, in einem Raum übernachten oder baden gehen. Falsche Scham blockiert das Zusammenleben auf oft engstem Raum und verstellt den Blick auf das Wesentliche der Ethik für eine Entwicklung zur Reife ohne seelischen Schaden bei dem falschen Menschen zu nehmen, sondern den richtigen Partner für ein ganzes Leben zu finden. - Zur Reflexion "auf gleicher Augenhöhe" und zum Aufladen der "Batterie" fahre ich auch mit Gleichaltrigen, oft Kollegen, in die Ferne. Dieses Mal mit meiner Kollegin Maria.
 

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